Specialized Händlerevent – ein Erfahrungs- & Testbericht
von Patrick Schüpbach – Shopleiter BikeBox Münsingen
Specialized lud nach längerer Pause wieder Händler zu einem Event ein, bei dem es hauptsächlich darum ging, die neuesten Specialized Produkte der Road- und Gravel-Kategorien vor Ort zu testen und Erfahrungen zu sammeln. Hierfür wurde der Hotspot Girona in Spanien ausgewählt, aktuell einer der angesagtesten Orte, an denen Rennrad und Gravel eine grosse Rolle spielen und dies auch eindrucksvoll gelebt wird.
Peter Nydegger, ein Verkäufer aus meinem Team in Münsingen, und Jenny Moser, die Shopleiterin der BikeBox Filiale in Schmerikon, haben mich an den Event vom 05.-07.11.23 nach Spanien begleitet. Gemeinsam sind wir in die Specialized Welt eingetaucht und haben die neuen Produkte auf Herz und Nieren getestet.
Das Programm war kompakt auf 2 Tage geplant. Es beinhaltete 4 verschiedene Ausfahrten, die perfekt organisiert waren und mit verschiedenen Routen und GPS-Dateien perfekt vorbereitet wurden.
Folgende Räder standen zum Test in richtiger Grösse bereit:
- Roubaix SL8 Expert
- Tarmac SL8 Pro Sram Force
- Creo SL 2 Expert
- Diverge STR Expert
Roubaix SL8:
Das Roubaix war das erste Rad, das wir genauer untersucht haben. Auf der 57km langen Strecke bemerkten wir schnell den angenehmen Fahrkomfort. Man sitzt sportlich und dennoch entspannt auf dem Rad, während es auf den 32mm breiten Reifen mühelos dahingleitet. Der Sitzkomfort ist angenehm und die neue Futureshock-Dämpfung an der Front überzeugt. Sie arbeitet unauffällig und dennoch sehr effizient. Wenn man sie einmal blockiert und weiterfährt, wird deutlich, wie gut das System tatsächlich Unebenheiten schluckt. Das Roubaix verhält sich auch im Anstieg angenehm und spritzig aufgrund seiner guten Kraftübertragung durch das steife Tretlager. Mit der Sram-Übersetzung von 46/33 und einer 10-36 Übersetzung finde ich auch in steilen Geländen den passenden Gang. Bei der Abfahrt bewegt sich das Rad präzise und sicher durch Kurven, und in engen und schnellen Richtungswechseln wirkt es gutmütig und leicht beherrschbar. Dank seiner Dämpfungseigenschaften ist es auch auf schlechteren Strassen sicher. Auf flachem Gelände wird das Tempo dank der verbesserten Aerodynamik relativ leicht gehalten, trotz der breiteren 32mm Reifen, die aufgrund ihrer Mischung und Profil hervorragend laufen.
Das grosse „Aha“-Erlebnis mit dem Roubaix kommt jedoch, wenn man die Strassen verlässt und auf Schotterstrassen weiterfährt. Das Fahrrad fährt sich sehr sicher und komfortabel, und die Reifen bieten mehr Grip, als man denkt. Der Unterschied zu einem „richtigen“ Gravel-Bike ist nicht mehr so gross, zumal ich beim Roubaix auch einen zweiten Laufradsatz mit Reifen bis zu 40mm Breite montieren könnte. Dadurch wird das Rad noch vielseitiger.
Fazit: Das Roubaix ist ein perfekter Allrounder mit viel Komfort und Fahrspass, der sehr vielseitig eingesetzt werden kann.
Tarmac SL8:
Alle waren gespannt auf das SL8, da es gross angepriesen wurde und das Erbe des SL7 antritt. Beim Aufsitzen wird schnell klar, dass man auf einem Tarmac, einer Rennmaschine, sitzt. Beim Herausfahren aus Girona wird deutlich, dass man hier eine schnelle 60km Runde erwartet, da das Rad förmlich dazu auffordert, in die Pedale zu treten. Es gibt nur einen Weg: nach vorne. Der Antritt ist direkt, mit dem steifen Tretlager und den schnellen Roval Rädern wird die gesamte Energie effizient auf den Boden übertragen und das Rad schiesst richtig nach vorne. Im Anstieg klettert das Rad leichtfüssig und hält das Tempo konstant hoch. Bei Spitzkehren kann man das Tarmac schnell beschleunigen und so die Mitfahrer herausfordern. In der Abfahrt liegt das Rad sicher auf dem Boden, die steife Front und der Lenker ermöglichen präzises Lenken und das Rad fährt wie ein Skalpell durch die Kurven, egal ob sie langgezogen oder eng sind. Das Tarmac reagiert leichtfüssig und folgt genau den Anweisungen des Fahrers. Auch bei meiner Grösse und meinem Gewicht von über 90 Kilo fühlt sich das Rad stabil und sicher an. Im Gegenteil, trotz seines geringen Gewichts fährt sich das Rad wie auf Schienen. Auf einer langen Geraden habe ich spielerisch einen Sprint eingelegt und geschaut, welche Werte der serienmässig eingebaute Powermeter anzeigt. Bei einer Geschwindigkeit von 72 km/h waren kurzzeitig 1120 Watt im Spiel… Ein Blick zurück und alle waren im Unterlenker ihres Tarmacs und versuchten, im Windschatten mitzuhalten. Keine Chance, mit dem neuen Tarmac SL8 langsam zu fahren. Trotzdem lässt sich auch mit diesem Rad entspannt fahren. Es ist nicht steinhart, sondern dank des neu gestalteten Hinterbaus und der Sattelstütze deutlich komfortabler als das SL7. Dadurch bietet es auf langen Ausfahrten immer ausreichend Komfort, sodass der Fahrer erholt fährt und seine Energie in Kraft umsetzen kann – eine Kraft, die das SL8 gerne in Vorwärtsdrang umsetzt.
Fazit: Nichts ist schneller als das SL8. Das Tarmac ist in all seinen Eigenschaften ein unglaubliches Rad. Es vereint Leichtbau, Aerodynamik, Komfort und beeindruckende Fahreigenschaften perfekt in einem Rad. Das RAD. Die neue Bestnote im Tour Test von 1.3 ist definitiv verdient.
Creo SL 2:
Wir waren besonders gespannt auf das Creo, da jeder so ein bisschen Vorurteile hatte – braucht man Strom bei einem Gravelbike? Kurz und knapp: JA. Wenn die Strecke so wie in Girona ausgesucht wurde, mit vielen technischen Anstiegen und Trails im Wald, macht das Creo SL mit seinem neuen Motor unglaublichen Spass. Das Rad klettert gut und der Motor stellt mit seinen maximalen 50NM genug Power zur Verfügung. Schnell wurde es zu einem Kräftemessen: Wer schafft es, die technischen Trails hochzukommen und wie schnell? Der Grip der 47mm breiten Specialized Reifen ist erstaunlich und die Leistung kann über den Remote Hebel am Lenker perfekt in den 3 Stufen reguliert werden. Oben angekommen auf dem höchsten Punkt haben wir uns der Schotterabfahrt gestellt. Hier spürt man sofort den Komfort des Futureshock Elements unter dem Vorbau und auch den Komfort im Sattel. Zudem liegt das Rad mit seinem schönen zentralen Schwerpunkt sauber am Boden, sodass schnell Vertrauen in das Rad entsteht und wir es richtig krachen lassen konnten. Die älteren Fahrer fühlten sich in die Anfangszeit des Mountainbikens zurückversetzt – noch ungefedert unterwegs, aber trotzdem viel schneller und komfortabler, weil die Geometrie sehr gelungen ist: laufruhig genug, aber trotzdem sehr wendig in den Kurven. Und mit der absenkbaren Stütze, die vom Unterlenker aus bedient werden kann, bietet das Rad noch mehr Fahrstabilität. Wenn dann Peter im Unterlenker angreift und einen ehemaligen MTB-Profi verfolgt, dann merkt man einfach, dass ist Spass pur.
Die Rückfahrt in die Stadt Girona schmälerte den Fahrspaß vom Gelände keineswegs. Das Creo SL fährt sich auch auf der Teerstrasse angenehm. Der montierte Specialized Reifen fährt sich schnell, leise und angenehm. Der Motor entkoppelt perfekt bei der Geschwindigkeit von 25 km/h, sodass kein Widerstand spürbar ist. Beim Kaffeetrinken wurde dann sichtbar, wo wir uns bewegt haben – hauptsächlich auf den Trails. Von der Grundfarbe der Räder war nicht mehr viel zu sehen, alles war vom Staub verdeckt.
Fazit: Das grösste Kompliment ist wohl, wenn Fahrer, die normalerweise schnelle Rennräder fahren, sofort darüber nachdenken, ob sie sich ein Creo SL zulegen sollten. Das Rad macht sowohl für den fitten Fahrer als auch für denjenigen, der mit anderen zusammen fahren und dabei die nötige Unterstützung geniessen möchte, unglaublich viel Spaß.
Diverge STR :
Beim Diverge STR waren wir genauso gespannt wie beim Creo SL. Braucht es ein Gravelbike, das vorne und hinten gefedert ist? Auch hier lautet die Antwort Ja. Ja, wenn man wirklich im Gelände unterwegs ist, auf langen Distanzen und in schwierigem Terrain. Der Komfort am Hinterbau ist einmalig. Vorausgesetzt, das Rad ist perfekt auf das Fahrergewicht eingestellt, bietet es viel Komfort ohne negative Auswirkungen beim Pedalieren. Der Dämpfer kann problemlos während der Fahrt in 3 Stufen eingestellt werden. Die Geometrie ist sportlich, aber mit einer Lenker- und Vorbau-Position für Komfort, wenn gewünscht. Im Tretlagerbereich ist das Rad sehr steif und setzt die Krafteinwirkung in Vortrieb um, dies wird durch ein steifes Dreieck erreicht, das vom hinteren Federungssystem entkoppelt ist. Auf der Straße fährt sich das Rad auch sehr ausgewogen, und mit der Dämpfung auf der härtesten Stufe geht es richtig vorwärts, auch dank des gut rollenden Specialized Reifens.
Fazit: Reiner Fahrspass. Wer ein Gravelbike mit viel Komfort für lange Distanzen sucht, vor allem im Gelände unterwegs ist und nicht jedes Gramm beachtet, wird mit dem Diverge STR voll zufrieden sein.